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Riksgränsen – Luleå: eine Reise in den Frühling

Mai 26th, 2012 · Keine Kommentare

Blick auf den Torneträsk Zur Abfahrt heute morgen zeigt sich noch ziemlich winterliches Wetter. Etwa 4°C und Nebel, leichter Regen, neben der Straße türmen sich die Schneehaufen und fast überall liegt noch Schnee. Der See bei Riksgränsen ist noch komplett zugefroren. Die Schneeschmelze hat aber durchaus ihre Spuren hinterlassen. Rechts neben der Straße fließt das Schmelzwasser in kleinen Wasserfällen den Hang hinab in den Straßengraben. Nach einiger Zeit liegt wieder links von uns der Torneträsk. Auf dem tiefblauen Eis kündigen weiße Adern, mal verästelt, mal grob gezackt vom bevorstehenden Frühling.

Kilometerschild - die nächsten drei großen StädteAm Ufer sind die Risse oft schon gebrochen und das Eis hängt schräg im Wasser, sodass die rund geschliffenen Steine darunter sichtbar werden. Im sich lichtenden Nebel geht die Eisoberfläche bis fast zum Horizont – ganz in der Ferne scheint ein schneebedeckter Hügel weiß hervor und ragt in die Wolkendecke. Mit jedem Kilometer nach Süden wird das Wetter besser und die Sicht klarer. Statt schneebedecktem Boden kommt gelbes Gras und dunkelgrünes Moos zum Vorschein. Und – natürlich – Fels. Zwischendurch steht immer wieder Wasser. Mal kleine Pfützen, mal Flächen so groß wie Fußballfelder in denen Gras und Moos im Wasser versinken. Gewiss kein einfaches Land zum Vorwärts kommen, sofern es weder Straßen noch Eisenbahn gibt.

Warten auf Fertigstellung des ZugesNach zwei Stunden im Bus, in denen wir an immerhin vier Bahnhöfen gehalten hielten – jeder davon erschloss etwa 15 Häuser und einen Campingplatz – erreichen wir Kiruna. Dort ist es schon so warm, dass man im Hemd gemütlich in der Sonne warten kann, während man unseren Zug zurecht rangiert.

Bahnhof GällivareEine Stunde fährt man mit dem Zug von Kiruna in den Süden, dann erreicht man Gällivare, wo auch die Inlandsbanan abzweigt. Dazwischen ist – nichts außer Tundra: Bäume, Seen, Sumpf. Inzwischen ist der Himmel zur Hälfte blau und der Nebel ganz verschwunden. Auf den Seen ist das Eis kleinen Wellen gewichen, die der Wind vor sich her treibt. An den Rändern findet sich im Schatten der Bäume noch das ein oder andere Schneefeld. Aus dem Birkenwald ist ein Mischwald aus Birken, Kiefern und Tannen geworden. Im Wald bedecken Blaubeersträucher den Boden. Die Nadelbäume zeigen vereinzelt hellgrüne Stellen. Dort, wo der Wald lichter ist, liegt braungraues Gras – zumindest dort, wo es trockener ist. Viele Bereiche sind aber einfach komplett überflutet und die weißen Birken ragen direkt aus einer schwarzen, spiegelnd glatten Oberfläche.

Tundra in LapplandEtwa einen Meter über der Sumpflandschaft rattern wir auf dem Bahndamm von Kurve zu Kurve. Kurz vor Murjek überqueren wir den Polarkreis. Auf Nebengleisen stehen Wagen für die Holzverladung bereit. Wenn es hier von was viel gibt, dann Wald. Inzwischen überwiegen die Nadelbäume und die Sonne scheint kräftig aus dem fast ganz blauen Himmel. Es wird richtig warm. Die sumpfigen Stellen werden weniger und während wir von den Weichen einer der unzähligen Ausweichen durchgeschüttelt werden, zieht ein typisch schwedisches Haus vorbei. Aus Holz, rot gestrichen und die Balken am Rand weiß abgesetzt. In der Sonne vor dem immer grüneren Wald lädt die Bank dort zum Verweilen ein. Immer wieder glitzert ein kleiner Bach, der die Strecke quert, in der Sonne und die Bäume sind inzwischen hoch genug, um ihren Schatten in den Wagen zu werfen. Den Horizont bestimmen bewaldete Hügel auf deren Flanken hohe Tannen ihre Silhouette in den Himmel zeichnen.

Birkenwald mit SeeBei Lakaträsk kreuzen wir einen Gegenzug – und ab hier tragen die auch die Birken zarte Knospen. Während wir weiter nach Süden fahren, kann man den Knospen beim Wachsen zusehen. Langsam arbeitet sich der Frühling auch auf den Waldboden zu. Trotz manchen Schneeflecks im Schatten leuchtet frisches grün zwischen den braunen und weißen Stämmen durch. Die malerisch liegenden Seen laden fast schon zum Baden ein. Vor fünf Stunden hätte man noch eher an Schlittschuh- oder Snowmobilfahren gedacht. Oberleitungs- und Hochspannungsmasten werden längst vom Wald überragt, die Bäume sind schon eine ganze Weile lang höher als sie.

KaffeetasseWenig später zieht an uns ein weiterer See vorbei, am Ufer ragt Schilf aus der Oberfläche. Am gegenüberliegenden Ufer steht ein gelb-weißes Holzhaus und am Flaggenmast daneben weht die schwedische Fahne im Wind. 1.175 Kilometer vor Stockholm haben wir den Frühling erreicht. Bis zu unserem heutigen Ziel, Luleå, ist es nicht mehr weit. Während die Schaffnerin den nächsten Halt – Boden – ansagt, hole ich mir noch einen Kaffee. Scheint typisch schwedisch zu sein – auch im Zug gilt: „free refill“. Schöne Landschaft, Sonne und Kaffee – was will man mehr? :-)

Tags: Berge · Reisen · Skandinavien