Nachdem nun eine Woche ins Land gegangen ist und die Temperaturen wieder > 0°C zeigen, hier nun eine kleine Nachbetrachtung auf die Straßenbahn und ihre inzwischen nicht mehr so vereiste Oberleitung. Das Feedback für den erklärenden Artikel war überwältigend und ich freue mich, dass ich doch hoffentlich dem/der ein- oder anderen nahebringen konnte, dass das mit der Straßenbahn und der Oberleitung nicht ganz so einfach ist, wie das zunächst wirken mag.
Drei sehr beeindruckende Bilder möchte ich Euch nicht vorenthalten – drei Bilder für die ich mich gerne bei Christian Stuck und @repton3 bedanken möchte! Zunächst noch ein Bild von Sonntagabend – eine der letzten Straßenbahnen verlässt Schwanheim Richtung Innenstadt – das sogenannte „Bügelfeuer“ (der Stromabnehmer wird oft im Bahn-Jargon als „Bügel“ bezeichnet – Feuer erklärt sich von selbst) ist deutlich zu sehen. Zwischen Oberleitung und Stromabnehmer ist der Kontakt stark behindert, so kommt es zur starken Funkenbildung.
Bild: © Christian Stuck 2013
Die beiden anderen Bilder zeigen die unglaublich mühsame Arbeit der VGF, die Oberleitungen wieder eisfrei zu bekommen.
Auf der Linie 17 hat zufällig @repton3 die „Feuerdrachen“, wie er sie treffend nannte, sichten können. Was eine unglaubliche Arbeit, alle 63,55 km (Quelle: Wikipedia) – oder, da ja fast das gesamte Netz zweigleisig ist, 127 km Oberleitung mit der Hand abzutauen. Man erkennt, wie die Techniker mit Gasbrennern das Eis „per Hand“ von der Oberleitung schmelzen.
Bilder: © @repton3
Es gab viele kreative Vorschläge, wie man denn nun doch das Eis schnell und einfach wegbekäme. Viele davon habe ich im Frankfurter Nahverkehrsforum gelesen. Viele davon sind enorm unpraktikabel. Wie im „Alltag bei der Bahn“-Blog bereits beschrieben, wurde früher tatsächlich einfach die Oberleitung kurzgeschlossen und eingeschaltet. Der dann fließende Strom war genug um die Oberleitung zu heizen. Heute ist das gänzlich undenkbar: wenn irgendwas passieren würde, wäre sofort jemand Schuld, wenn dann irgendwem die potentiell geschmolzene Oberleitung auf den Kopf fiele. Um ganz ehrlich zu sein: das finde ich auch gut so. So eine Oberleitung auf dem Kopf ist garantiert nicht so cool.
Ein weiterer Vorschlag ist, einfach auf den Straßenbahnen einen Stromabnehmer zu installieren, der gar keinen Strom abnimmt, sondern nur kratzt. Das ist sicherlich potentiell möglich – hat aber leider den Nachteil, dass es enorm teuer wäre, auf jeder Straßenbahn gleich zwei dieser Bügel anzubringen. Und zudem wären diese Bügel etwa 25 Jahre nutzlos – wie die VGF vermeldet, gab es zuletzt Anfang der 80er Jahre einen solchen Fall von Eisregen.
Extrem überzeugend finde ich diesen Ansatz der Firma Stemmann, der bereits bei der Bremer Straßenbahn Anwendung findet. In Bremen gibt es das Phänomen Eisregen bzw. vereiste Oberleitung häufiger – deswegen hat man hier bereits Gegenmaßnahmen ergriffen. Wie Daniel bereits im vorhergehenden Beitrag als Kommentar über die O-Bus-Betriebe in Linz schrieb, wird hier ein Mittel auf Glycerin-Basis auf die Oberleitung aufgetragen. Dieses verhindert das vereisen der Oberleitung. Leider bin ich kein Chemiker, um auszurechnen, warum Glycerin nun besonders toll dafür ist – aber es scheint zu funktionieren. Man bräuchte also nur einen Arbeitswagen, der diesen besonderen neuen Stromabnehmer verpasst bekäme und schon wäre das Netz eissicher. Es darf dann nur immernoch gefragt werden, ob sich das denn lohne – alle 30 Jahre für 3 Tage auf die Straßenbahn zu verzichten finde ich eigentlich einen nicht all zu hohen Preis. Aber ich hab auch gut lachen – am Lokalbahnhof fährt eben noch die richtige Eisenbahn. Und das über- wie unterirdisch.
Zu guter Letzt habe ich auch noch eine Idee – auf gänzlich physikalischer Basis. Könnte man denn die Oberleitung nicht aus einem Material bauen können, dessen spezifischer Widerstand die Eigenschaft hätte, bei Temperaturen über 1°C extrem gut zu leiten aber bei Temperaturen darunter einen großen Widerstand zu haben? Es würde sich ganz von selbst die Oberleitung auf etwa 1°C erwärmen und damit das Eis schmelzen. Gleichzeitig steigt der Strombedarf nicht exorbitant, denn wenn die Oberleitung sich selbst erwämt hat, würde sie ja wieder gut leiten. Einziger Nachteil wäre vermutlich der Preis – selbst reines Kupfer dürfte massiv billiger sein. Und damit lohnt es sich eben bestimmt nicht für 3 Tage alle 30 Jahre ein ganzes Straßenbahnnetz neu mit Oberleitungen zu versehen.
Freuen wir uns also, dass wie wieder die anderen Tage haben. Die Tage, an denen die Straßenbahn fährt – so selbstverständlich, wie der Strom aus der Steckdose kommt. Und vielleicht ist der oder die Eine doch nun ein wenig dankbarer, dass die Tram so oft einfach fährt – ohne, dass man verstehen müsste, woher eigentlich der Strom kommt…
Schöner Nachtrag und coole Bilder (naja gut, der Stuck kann’s halt, ne?).
Deine Materialidee hört sich fast so an, als bräuchtest du da ähnliche Spezialmaterialien wie in den Magneten des LHC (siehe hier http://home.web.cern.ch/about/updates/2013/01/superconductivity-leads-way-high-luminosity) – ich teile daher deine Bedenken ob des Preises.
Aber auch darüber hinaus: Wenn kein Strom fließt, erwärmt es sich auch nicht; der Effekt tritt also immer erst dann auf, wenn ein Zug durchfährt, und dann fährst du unter vereister Oberleitung, wo die Oberleitung schon selbst nicht gut leitet – da kommt der Fahrdraht mit Sicherheit noch schneller runter.