Lokalbahnhof

Nicht nur der tägliche Einstieg ins Chaos

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Frappé trinken und Überholen – mit KTEL und Maria und Jesus durch Griechenland

September 8th, 2010 · 2 Kommentare

Weiter geht’s. Mit dem Bus von KTEL, der griechischen Busorganisation, die ausgesprochen wohl nicht nur zufällig wie Kartell klingt…. Weg von Patras, wo Asylbewerber auf dem Weg von Albanien oder Afrika auf die Chance warten, in ein Schiff nach Italien zu kommen. Der Hafen sieht aus wie ein Gefängnis – nur dass man statt aus- nicht einbrechen soll.

Fahrkarten hatten wir schon gestern erstanden – Einfache Fahrt: 21,30 Euro für 240 km. Leider gibt es keine Eisenbahn mehr in der Richtung, die wahrscheinlich höchstens die Hälfte köste. Helfen würde es aber ohnehin nicht, Heute und Morgen wird bei der Bahn gestreikt.

Am Busbahnhof noch schnell zwei Frappés (Eiskaffee) gekauft, die Rucksäcke verladen und uns vom Schaffner ein „…, but please be careful with the ice-coffee“ angehört und überpünktlich gings zwei Minuten zu Früh los.

Der Fahrer – Ende 30 – fährt zügig über die Bundesstraße, überholt mühelos holländische Urlauber und einen LKW nach dem anderen. Mit einem Reisebus, wohlgemerkt. Passieren kann aber nichts, neben dem Schild mit der Sitzplatzanzahl klebt eine Maria-mit-Jesus-Ikone und am Rückspiegel baumelt ein Kreuz aus Perlen zusammen mit einem Glücks-Auge. Der Fahrer sieht mit weißem Hemd und schwarzer Sonnenbrille, abwechselnd schaltend oder Frappé trinkend, hier aus der dritten Reihe eigentlich sehr entspannt aus.

Vor uns zwei Griechen, ein Nürnberger und ein LKW, drei Griechen und noch ein LKW. Überholt wird trotz doppelt durchgezogenem Strich mit Reflektoren im Boden. Das Motto „God is my Co-Pilot“, das wir tatsächlich auf einem der Busse gesehen haben, ist hier wohl weit verbreitet. Der Albaner, der gerade uns, zwei Autos und den LKW überholt, vertraut auch darauf, dass die Straße schon breit genug für 2 Autos und einen LKW nebeneinander ist. Er hat glücklicherweise Recht behalten…

Vielleicht kommt auch gleich wieder ein Stück Autobahn. Die wird hier gerade aus der Landschaft gemeißelt und wirkt, wenn sie vorhanden ist, leicht überdimensioniert. Obwohl mautfrei, weil noch nicht fertig, ist sie fast leer.

Gerade war da wieder ein Stück, noch nicht ganz fertig. Der Nürnberger traut sich nicht so wirklich, zu überholen – derweil nutzen 3 Griechen die Linksabbieger-Spur zum Auto-Lücken-Hopping. Ein weißer Lieferwagen hat inzwischen die gesamte Schlange aus 2 LKWs und 4 Autos überholt und dabei auch nur beinahe den Gegenverkehr gerammt – der entgegenkommende Lieferwagen ist noch schnell auf den Schotterstreifen am Rand ausgewichen. Vor uns ist nur noch ein Grieche und der Nürnberger, während wir durch Argos Anargyroi rollen. Die Freisprecheinrichtung freilich wird noch während der Fahrt entheddert.

Etwas spannender als eine Zugfahrt – zumindest was die Menge des Verkehrs angeht – ist die Busfahrt allemal. Den Deutschen und einen Griechen haben wir jetzt in einem Kreisel hinter uns gelassen. Der gesammelte Fahrzeitvorteil der letzten 3 Überholmanöver wurden jetzt allerdings an einer roten Ampel zunichte gemacht….

76 Kilometer noch bis Ioannina – und die nächsten drei roten Ampeln spenden Zeit für einen weiteren Schluck Frappé. Neid kommt auf – unserer war schon in Patras wieder leer. Bleibt nur Wasser zu trinken, während neben uns die „alte Brücke von Arta“ auftaucht – schön ist sie. Hoffentlich komme ich mal zu Bildern. Wieder eine Ampel. 73 km bis Ioannina und mit 75 km/h, die der Tachoschreiber meldet, gehts aus dem Ort hinaus. Ob wir allerdings in unter einer Stunde dort sind, darf bezweifelt werden.

Manchmal wird auch gehalten, um jemanden hinauszulassen. Warum wir aber Niemanden mitnehmen bleibt unklar, jedenfalls gab es jedes Mal ein „Orchi“ vom Fahrer, „Nein“. Praktischerweise heisst nämlich „Nee“ in Griechisch „Ja“ und ein Kopf-nach-oben-Nicken wiederum „Nein“, nach unten Nicken aber „Ja“. Zusammen mit dem bulgarischen Habitus und der eigentlichen Gewöhnung aus Deutschland ist hier jetzt alles durcheinander. Auch gut zu wissen ist, dass kein Bus halten wird, sollte man nicht die Hand nach ihm ausstrecken. Selbst der Stadtbus fährt sonst an Stationen vorbei. An Busbahnhöfen darf man aber auch ohne Winken einsteigen.

In Kerasonas, wo wir inzwischen sind, gilt die meiste Fahrkunst nun aber dem Umfahren von Schlaglöchern. Straßenschilder preisen an, dass die „Speed Cameras“ (Blitzer) hier sogar 24 Stunden am Tag funktionieren. Die 50 km/h, die einzuhalten wären, scheinen aber problemlos um 30% überschreitbar. Oder es ist gerade die 25. Stunde des Tages. Nach nicht all zu langer Zeit haben wir es natürlich zum nächsten LKW geschafft. Diesmal allerdings werden wir netterweise vorbeigelassen.

Neben uns ragen inzwischen Berge von alpiner Höhe auf, bis 1.800m geht es hinauf. Auf der Straße wird man vor einer „Icy road“ (vereiste Straße) gewarnt. Bei 30°C im Schatten. 22 km noch bis Ioannina und es ist wohl vorerst vorbei mit Überholen, vor uns ein Reisebus von „Promotion Hellas Travel“ und 4 LKWs. Links war gerade ein Militär-Camp und hin und wieder sieht man Wegweiser, die einen in das schöne Örtchen „Road closed“ (Straße geschlossen) weisen. Sieht exakt aus wie ein Wegweiser – ist netterweise aber zweisprachig Griechisch-Englisch.

Noch 12 km bis Ioannina und 4 km bis zur Autobahn – es verspricht also „langweilig“ zu werden. Nachher haben wir dafür einen Mietwagen, der die Langweile vermutlich ausgleicht. Wir haben nämlich weder Maria-Ikone, noch Kruzifix…

Nachtrag, 10.9.10: Gerade haben wir vom Campingplatz in Kastraki bei Meteora zur Abreise noch eine Ikone und eine Kopie eines Kupferstichs mit lauter Heiligenbildern von hier bekommen. Dann kann auf der Rückfahrt ja nichts mehr passieren…

Tags: Reisen